Martinskapelle
Geschichte
Am Beginn der Rudolstädter Straße, weit außerhalb der mittelalterlichen Stadtbefestigung, liegt die kleine Martinskapelle. Sie war ursprünglich Bestandteil eines weit ins Mittelalter zurückreichenden Siechenhospitals, in dem armen und kranken alten Bürgern, Invaliden und Gebrechlichen eine elementare Fürsorge zuteil wurde. Die Mittel zum Unterhalt der zwölf „Pfründnern“ des Hospitals – in der Regel Frauen – wurden durch soziale Stiftungen, Rentenkauf, Spenden und Almosen aufgebracht.
Eine derartige Stiftung ist vom Jahre 1372 überliefert, als der Saalfelder Stadtrat
"den Armen dortigen vnnd vsseczigen die dasiczczen vßewendiger der Muren czu Salueild vor deme Blankenbergertore"
( den armen Bedürftigen und Aussätzigen, die da sitzen außerhalb der Mauern zu Saalfeld vor dem Blankenburger Tore ... )
eine jährliche Holzspende aus dem Ratswald und Zinsen für Dienstleistungen, darunter für Bäder, bestätigte. Die Einrichtung des sogenannten Siechenhauses bestand bis zu Beginn des 20. Jahrhunderts. 1741 wurde anstelle des alten mittelalterlichen Hospitals ein kleines barockes Wohngebäude mit Mansarddach errichtet, welches 12 Wohn- und eine Krankenstube umfasste. An seine Stelle trat 1911 das noch heute bestehende zweigeschossige Gebäude des ehemaligen städtischen Altersheims.
Die Kapelle, die nach einer unverbürgten Nachricht bereits 1264 erbaut worden sein soll, wird 1338 als "capellen zu den sichen" erstmals urkundlich genannt. Sie war dem heiligen Martin als Schutzpatron der Bedürftigen geweiht und diente als Gotteshaus für die Insassen des Hospitals. Das im Äußeren schmucklose Gebäude dürfte aufgrund seines Baucharakters noch aus der frühgotischen Zeit des 13. Jhts stammen, was die erwähnte Baunachricht glaubwürdig erscheinen lässt.
Der kleine verschieferte Dachreiter wurde erst in spätgotischer Zeit aufgesetzt, wie zwei noch vorhandene kleine Glocken von 1475 im Dachstuhl bestätigen. Bei einer Innenrenovierung der Kapelle im Jahre 1598 entstand die kleine Westempore mit gemalten Apostelbildern des Saalfelder Malers Johann Gottwalt, einem Enkel des bekannten Bildschnitzers und Riemenschneider-Schülers Hans Gottwalt.
Weitere bauliche Instandsetzungen der Kapelle fanden 1894 – 1895 durch den damals von interessierten Saalfelder Handwerkern eigens gebildeten „Siechenkapellen - Renovationsve-reins“ statt.
Eine umfassende und grundlegende Sanierung wurde 1983–91 durch die Arbeitsgemeinschaft „Restaurierung Martinskapelle“ des Kulturbundes Saalfeld durchgeführt.
2004 konnten aufmerksame Beobachter erneut Restaurierungsarbeiten an der Martinskapelle verfolgen. Umfangreiche Arbeiten an Turm, Dachtragwerk und Dach mit anschließender Neueindeckung nach historischem Vorbild sichern den Erhalt der Kapelle an diesem expo-nierten Standort direkt am nördlichen „Eingang“ zur Stadt auch für zukünftige Generationen.
Einbezogen in diese Arbeiten wurde auch die Neugestaltung der schlichten Außenanlagen.
Angedacht ist, die Martinskapelle für Besucher zu öffnen und für Gottesdienste zu widmen.
Quelle: Stadtverwaltung Saalfeld/Presseamt Renate Ehrhardt, 21.5.2008
Die ursprünglich reiche Ausstattung
Die ursprünglich reiche Ausstattung der Martinskapelle wird heute in der Sammlung des Stadtmuseums Saalfeld im ehemaligen Franziskanerkloster aufbewahrt.
Bereits zur Museumsgründung 1904 wurde die kleine, aus der Zeit um 1450 stammende Holzfigur des Schutzpatrons Martin übernommen, der auf dem Pferd sitzt und mit dem Schwert seinen Mantel teilt.
Aus der Kapelle stammt, neben dem kleinen Fragment einer Marienkrönung um 1500, außerdem die künstlerisch wertvolle Andachtsfigur der Anna Selbdritt, ein Meisterwerk des Saalfelder Bildschnitzers Hans Gottwalt, geschnitzt um 1505 nach Vorbildern seines Würzburger Lehrmeisters Tilmann Riemenschneider.
Das Stadtmuseum übernahm einen kleinen Flügelaltar mit der geschnitzten Darstellung der Kreuzigung im Schrein und gemalten Heiligenfiguren auf den Flügeln. Dieses Altarwerk wurde in einer Saalfelder Werkstatt um 1490 vom sogenannten Meister des Schwarzaer Altars gearbeitet, dessen wirklicher Name heute unbekannt ist.
Alle hier genannten Ausstattungsstücke können im Kapitelsaal des Stadtmuseums, Münzplatz 5, innerhalb des Museumsrundgangs besichtigt werden.
In der Martinskapelle kann der interessierte Besucher heute die restaurierte Innenbemalung bewundern, innehalten und die Stille des Raumes genießen.
Dr. Gerhard Werner
Sankt Martin
„Martinus“ Bischof von Tours, war von Geburt Römer. Er stammte aus einer Familie mit militärischer Tradition. Mit 15 Jahren wird er aufgrund eines kaiserlichen Edikts gegen seinen Willen zum Militärdienst eingezogen. Martin verlässt das Militär und lebt als Mönch. Gebildet und tatkräftig zugleich erreicht der bescheidene, barmherzige bereits zu Lebzeiten den Grad eines Heiligen. Er lebt, was er predigt, tritt für Gerechtigkeit ein, unterstützt Arme und Kranke. Als 3. Bischof von Tours wird Martin personelles Bindeglied zwischen Frankenreich und Rom. Im Jahr 397 verstirbt Martin im Alter von 81 Jahren.
Schutzpatron
Nachweislich wurde der im Volksglauben „apostelgleiche“ Sankt Martin bereits im 5. Jahr-hundert als Heiliger angerufen. Als Schutzpatron tritt Martin bei Ländern und Armeen, Rittern, Soldaten, Reisenden, Flüchtlingen, Huf- und Waffenschmieden, Alpenhirten, Bettlern, Tuch-, Kappen- und Handschuhmachern, Webern, Gerbern, Schneidern, Bauern, Hirten, Winzern, Gastwirten, Hoteliers, Müllern und Zechern (!) und Tieren (Hunde, Pferde, Vögeln) auf.
Mantelteilung
Die Teilung des Soldatenmantels mit dem Bettler und ihre - im Traum des Martin erfolgte - durch Christus selbst vollzogene Anerkennung als religiöse Liebestat wird als „Szene der Wohltätigkeit“ bezeichnet. Der noch nicht Getaufte handelt konsequent nach Christi Auslegung von Gottes Liebesgebot:
„Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst“ (Mk 12, 31; Mt, 22, 39) und erfährt im Traum die Bestätigung von Christus:
„Was du dem geringsten meiner Brüder tust, das hast du mir getan“ (Mt 25, 40).
Text Heiliger Martin nach © Dr.theol. Manfred Becker-Huberti, Köln